Die folgenden Beispiele zeigen hochaktuelle Problemstellungen der Mathematik. Für deren Bearbeitung können im Studium grundlegende und vertiefende Techniken erlernt werden.
Grafik: Michael Klatt
Die Ausbreitung von Epidemien, Waldbraenden oder Fluessigkeiten in poroesem Gestein laesst sich mithilfe von Perkolationen modellieren, wie sie in der Wahrscheinlichkeitstheorie untersucht werden. Bei der sogenannten Kantenperkolation wird z.B. in einem mehrdimensionalen Gitter jede Verbindung zwischen zwei Knotenpunkten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit entfernt oder beibehalten. Eine typische Fragestellung ist dann das Bestimmen der Groesse der entstehenden Cluster, also der durch beibehaltene Verbindungen
zusammenhaengenden Mengen an Knotenpunkten. Auch wenn Computersimulationen hierzu haeufig schnell eine gute Intuition geben, ist diese Frage bisher nur fuer Spezialfaelle mathematisch praezise beantwortet.
Grafik: Martin Henk
Bereits 1611 stellte Johannes Kepler die Frage nach möglichst dicht gepackten Kugeln und vermutete, dass die natürliche Anordnung (siehe Bild) mit einer Dichte von π / √18 ≈ 74,048% bestmöglich ist. Zwar konnte Carl Friedrich Gauß bereits 1831 zeigen, dass unter der zusätzlichen Annahme, dass es sich um eine Gitterpackung handelt, die vermutete Dichte optimal ist, jedoch hat es weitere 167 Jahre gedauert, bis ein erster korrekter Beweis publiziert wurde. Diese Arbeit von Hales basiert jedoch sehr stark auf Computerberechnungen, deren Akzeptanz als Beweismittel strittig ist.
Offene Problemstellungen gibt es heute dennoch genug, da zum Beispiel für praktische Zwecke oftmals eine endliche Anzahl von Kugeln in einer bestimmten Form angeordnet werden soll und die natürliche Anordnung nicht mehr bestmöglich ist. Andererseits sind auch Packungen anderer Objekte (z.B. Polyeder) von Interesse. Insbesondere Packungsprobleme mit Gitteranordnung sind aufgrund der zum Einsatz kommenden zahlentheoretischen Methoden in Magdeburg von Interesse.
Grafik: William Cook
Beim Rundreiseproblem geht es darum, eine kürzeste Tour durch bestimmte Städte zu finden, bei der jede Stadt genau einmal besucht wird. Alle Möglichkeiten für Touren durch die 15112 größten Städte Deutschlands auszuprobieren, würde selbst auf einem Supercomputer ungefähr 1056570 Jahre dauern. Zum Vergleich: Das Universum ist lediglich etwas älter als 1010 Jahre.
Trotz dieser Komplexität erlauben es moderne mathematische Methoden, die abgebildete kürzeste Tour innerhalb weniger Tage zu finden.
Grafik: Hans-Christoph Grunau
Die Verformungsenergie elastischer Körper modelliert man mit Hilfe eines Krümmungsintegrals, des so genannten Willmorefunktionals. Bevorzugt werden von der Natur Formen mit möglichst kleiner Verformungsenergie. Man kann relativ leicht zeigen, dass unter allen sphärenartigen Flächen in der Tat die perfekt runde Sphäre ein Minimum ist. „Sphärenartig“ sind solche Flächen, die man durch Verformen und Dehnen, aber ohne Zuhilfenahme von Schere und Kleber in eine klassische Kugeloberfläche kontinuierlich überführen kann: Oberflächen von nicht aufgeblasenen Wasserbällen, Kartoffeln, Bohnen, usw. Bei Flächen, die in diesem Sinne vom Typ eines Donuts oder Fahrradschlauchs sind, ist die Antwort viel schwieriger. Sie wurde zwar seit langem vermutet, aber erst vor kurzem von den Mathematikern Fernando Codá Marques und André Neves verifiziert: Hier ist der so genannte Clifford-Torus optimal. Diesen erhält man, wenn man einen Kreis in der x-z-Ebene vom Radius 1 und Mittelpunkt auf der x-Achse im Abstand √2 um die z-Achse rotieren lässt.
Auch in Magdeburg wird theoretisch und mit Hilfe von Computerberechnungen zum Willmorefunktional geforscht.
Grafik: Volker John
Die Navier-Stokes-Gleichungen modellieren die Strömung zäher (reibungsbehafteter) inkompressibler Flüssigkeiten. Sie entstehen aus einer Bilanz von Reibungs- und Beschleunigungskräften sowie einer Gleichung für die Massenerhaltung bzw. Inkompressibilität. Es handelt sich um ein System von vier Differentialgleichungen für die vier gesuchten Funktionen (drei Geschwindigkeitskomponenten und der Druck).
Eines der Millenium-Probleme, für deren Lösung ein Preisgeld von je 1 Million US-Dollar ausgelobt wurde, besteht darin zu klären, ob es für jedes Anfangsdatum eine klassische physikalisch sinnvolle Lösung gibt, die für alle positiven Zeiten existiert. Ungeachtet ungeklärter theoretischer Überlegungen werden in Magdeburg sehr erfolgreich Strömungssimulationen durchgeführt.